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Freitag, 7. Juli 2017

Wäscheständer in der U-Bahn und warmer Regen: Ein Interview über Heimat mit den Matrosenhunden


Die Matrosenhunde. Das sind Fine und Madeleine. Grafikerin/Illustratorin und Texterin. Bild und Wort. In ihren Werken kommunizieren sie miteinander. Das Bild antwortet auf den Text und umgekehrt.  Im ihrem Dialog entsteht das, was sie für mich unwiderstehlich macht.  Peng und Poesie. Alltag wird wunderlich. Schwer Fassbares wird klar. Das Große im Kleinen.

Um zu erklären, was die Matrosenhunde mit Schöneweide zu tun haben und was mit mir, hole ich zuerst meine bewährte Kreistheorie ins Boot:  Alles hängt zusammen und führt zum anderen und ineinander. Wie die Kreise auf der Wasseroberfläche, wenn man Steine über das Wasser springen lässt. Das passiert irgendwie öfter in meinem Leben aber selten so schön wie mit den Matrosenhunden.






Heimat ist schon immer eines meiner großen Thema. Da kann ich melancholisch werden, da kann ich an einen leuchtenden Sternenhimmel denken und an Menschen, die dort geblieben sind und bei denen mir warm ums Herz wird, wenn ich an sie denke.  
Wohingegen es kein Haus gibt, kein Zimmer, keine Sachen zu denen ich zurück gehen könnte. Die gibt es nur im Kopf. Heimat ist für mich ein in gleichen Teilen endloses wie auch wiederkehrendes Thema, das ich immer wieder versuche in Worte zu fassen – und bei dem Versuch dessen oftmals ein leicht stöhnendes Augenrollen ernte: Schon wieder?


Matrosenhunde. "Jetzt steht es da und ich lasse es stehen."


Vor 4 Jahren stand ich auf der Leipziger Buchmesse. In der Halle 4. Dort wo die kleinen Buchverlage sind und die Kunstschulen Abschlussarbeiten ausstellen.  Und an einem kleinen Stand habe ich die  Nummer 7 (von 20) der limitierten Auflage des kleinen Risographie-Heft's: "Heimat klappt besser, wenn ich nicht dort bin" gekauft. Von den Matrosenhunden. Sie hatten mit dem Heft die Antwort für mich und meinem "Heimat-Dilemna" eingefangen – auf ein paar Seiten. 
Daheim habe ich recherchiert. Wollte mehr haben von den Matrosenhunden und wurde  etwas süchtig. Nach den Geschichten, die ihre Werke in meinem Kopf regelmäßig losgetreten haben. 

Vier Jahre später, also vor kurzem, habe ich bei M i MA, einem der wundervollsten Blogs im Netz, einen Beitrag über die Matrosenhunde gelesen. M i MA hat mit Ihnen ein wunderschönes Interview geführt, das ihr hier nachlesen könnt. Meine Heimat – in Form der besten Freundin –  meldete sich und meinte, hast Du  bei M i MA gelesen, dass Fine in Oberschöneweide groß geworden ist? Hatte ich! Wow. Kreise. Überall. 

Wir haben Fine und Madeleine getroffen und ganz lange und sehr herrlich über Heimat gesprochen. Über Ost und West. Über die Schafe auf der Theresienwiese in München, Perlenketten in Kiel und das beruhigende Geräusch, wenn die Straßenbahn um die Ecke quietscht.




Matrosenhunde. "Du brauchst ein Gegenüber."


INTERWIEW mit den MATROSENHUNDEN

Wo kommt ihr her? Verbindet Euch noch etwas mit diesem Ort?

Fine:
Oberschöneweide, Berlin. Daher habe ich meine Liebe zur Industriearchitektur, zur Abendsonne und meinen Willen, mich immer durchzuwursteln – auch, wenn mir jede Nacht in den Hausflur gepinkelt wird.

Fine, alte Wohnung in der WIlhelminenhofstraße, Küche hintenraus


Madeleine:
Ich komme aus München. Meine Eltern sind beide dort geboren, und obwohl ich selbst kein Bayrisch – bzw. Münchnerisch – spreche, fühle ich mich dort einfach historisch verwurzelt. Ich liebe die Isar, echte Brezn, Biergärten und das goldene Licht im Hofgarten. 

Die katholisch geprägte Hügellandschaft des Dachauer Hinterlands, wo ich den Großteil meiner Kindheit verbracht habe. Kleine Weiher, die Alpen, Technicolor-Farben und Steckerlfisch. Im Grunde also alle guten Klischees und das behagliche Gefühl, dass alles funktioniert und geregelt ist. Es gibt Rolltreppen, klare Zuständigkeiten und eindeutige Vereinbarungen. Am schönsten See bei München kam einmal ein Mann im grünen Overall, um an einer robusten, noch seidig polierten Ausflugsbank prophylaktisch die Schrauben festzuziehen. Für die Sicherheit. Im Angesichts eines Berges und des silbern glitzerndes Wassers. Das ist für mich Bayern in einem Bild.

Gleichzeitig bin ich auch aus diesem Grund von dort weggegangen und habe mir neue Gefilde erobert, die mehr mit meinem Inneren Ich zu tun haben. München wird ja immer bleiben, auch wenn ich aus Gründen nicht dort lebe, einfach durch meine eigene Geschichte.

Madeleine an der Isar



Ist das eure Heimat?

Fine:
Jahrelang hat es gereicht, Berlin als Heimat zu haben. Dabei kenne ich immer noch nicht alles. Mein Opa ist jede Woche mit dem Bus oder der U-Bahn immer eine Station weiter gefahren, da ausgestiegen und hat sich „mit dem Viertel vertraut gemacht“.
Meine Kinder-Heimat besteht auf jeden Fall aus mehreren Orten: OSW, Friedrichshagen, Treptow, Mitte, Prenzlauer-Berg, Braunsdorf, Töpchin. Mit jedem Lebensjahr und jeder neuen Station erweitere ich meinen Heimat-Begriff.

 
Fine. Kindergartengruppe (nicht im Bild: das Spreeufer, links)

Madeleine:
München ist ein Teil meiner inneren Heimat, meiner Identität und Vergangenheit und vor allem meiner Familie. Mein Opa hat dort Schafe gehütet auf der Theresienwiese, meine Oma ist dort mit mir einkaufen gegangen und zu „Pizza Hut“ (deutsch ausgesprochen), meine Mutter ist dort aufgewachsen und hat immer dort gelebt, mein Vater hat dort Brücken und Kanäle gebaut und Baustellen fotografiert, meine gesamte Verwandtschaft ist in erster Linie aus München und dem bayrischen Schwaben, hinter Augsburg. Jetzt ist der Großteil meiner Herkunftsfamilie mittlerweile tot. 


Madeleine's Opa. Theresienwiese. Schafe. Hund.


Auch dadurch ist München mittlerweile eher eine Nostalgie, etwas, was mir sehnsuchtsvolle Herzschmerzen macht, was immer eine Rolle in meinem Leben spielen wird und dennoch nicht mehr passt, nicht zu der Mentalität passt, die mir wichtig geworden ist und trotz aller Funktionalität irgendwie zu glatt für mich ist. 

Ich muss da manchmal auftanken, eine Ausgezogene essen und eine Teekanne auf meinem Lieblingsvolksfest, der Auer Dult, kaufen. Nostalgisch sein und mich kurz verorten und überall Erinnerungen aufsammeln. Eine Zeitung aus dem Zeitungskasten holen und „Grüß Gott“ sagen. Dann kann ich auch wieder fahren. Zurück nach Berlin, die Stadt, mit der ich lange warm werden musste, die Stadt, in der Menschen mit Wäscheständern U-Bahn fahren, in der es egal ist, wie ich rumlaufe und wo immer irgendetwas rumliegt. 

Die Stadt, die von Seen, Kiefern und Buchen und rührend ausgemergeltem Sandboden umgeben ist, in der ich nichts Pittoreskes finde, aber eine eigene, schroffe Zärtlichkeit, viele Lebensentwürfe und völlig unterschiedliche Stadtteile nebeneinander: die Möglichkeit einer stetigen Neuentdeckung, egal, um welche Uhrzeit.



Und was ist das genau: Heimat?

Fine:
Heimat ist Gefühl. Auch ein kleines Gefühl zählt ja. Heimat ist ein Geruch, eine Vertrautheit. Heute morgen in der Grimmstraße hat es nach Holzofen gerochen, da war ich direkt wieder im Italienurlaub mit meinem Gefühl. Aus Schöneweide bin ich schon lange weggezogen und trotzdem ist immer noch diese extra Sehnsucht da und ein seltsame Liebe. Nach dem speziellen Licht, der Architektur, dem Wasser. Sehnsucht funktioniert am besten mit Abstand. Immer.

Heimat sind Menschen: Katzen binden sich ja an Orte, Hunde an ihr Rudel. Auf den Schultern meine Papas war ich jahrelang genauso zu Hause wie in meinem Zimmer oder der Achselhöhle meiner Mama. Heimat ist Geborgenheit und Erinnerung: Da, wo es gut war. Ich bin auch im Sommer zuhause, wenn es nach warmen Regen riecht. Oder im Winter, wenn ich den letzten Kohleofen in Berlin erschnuppere. 

 
Fine. Wilhelminenhofstraße, Aufbruch nach Italien.


Madeleine:
Ich glaube, ich bin noch nicht fertig damit, diesen Begriff für mich zu definieren, vielleicht begleitet einen das auch das gesamte Leben lang. Heimat ist Identität, ist Geborgenheit, ist Geschichte und Zugehörigkeit. Heimat ist Coming of Age. Heimat, das sind Orte und Erinnerungen, commitment und Vertrauen, Heimat ist Zuhause und somit auch etwas, das ich selbst erschaffen kann. Peter Fox’ „Haus am See“ oder, wie in „To built a home“ von The Cinematic Orchestra: „I built a home, for you, for me.“ 

Die eigene Gang, meine selbst gegründete Familie: Mein Freund, meine Kinder und das, war wir gemeinsam neu erleben und zu Erinnerungen machen, ist meine Heimat. Auf der A9 aus München kommen und wieder Kiefern sehen, deren Stämme im Sonnenuntergang rot leuchten, unspektakulär und wunderschön.

Madeleine. Trachtenjankerl und ein Pferd auf der Wiesn.



Ihr habt dann Eure Heimat verlassen und seid seitdem an verschiedenen Stationen (u.a. Paris, Wien etc.) gewesen: Hat sich da etwas (was) nach Heimat angefühlt, was hat geholfen in der Fremde? Hattet ihr Heimweh?

Fine:
Ich tue mich schwer mit Reisen und habe jedes Mal schreckliches Lampenfieber. Eigentlich kann ich nicht verstehen, warum Orte nicht mehr mir gehören. Wenn ich in Paris bin, meide ich die Rue des Vertus – es tut einfach zu weh, nicht in diese rote Tür reinzugehen, die Treppe rauf und Zuhause zu sein.

Vielleicht ist es Frühvergreisung, aber ich kehre gerne im Kopf an die Orte zurück, die für mich Heimat sind. Ich liebe den Geruch von warmer Dachpappe im Sommer. So hat es in meinem Kindergarten gerochen und auch in den Gartenlauben meiner Großeltern. Letztes Wochenende haben wir Familienmitglieder meines Freundes auf ihrem Stellplatz in Zeesen besucht, da hat es wieder so gerochen und wir wollten gleich einziehen. Einstiegsfrage auf dem Spielplatz dort war „Bist du auch Dauercamper?“  

 Matrosenhunde. "Der Großteil des Lebens besteht aus verschwundenen Dosenöffnern."



Madeleine:
Ich kenne das auch, dieses „umgekehrte Heimweh“: nach Orten, die zu einem gehört haben und jetzt nicht mehr, Häuser, in denen fremde Menschen wohnen, Straßen und Brachflächen, die es nicht mehr gibt, polierte Fassaden und neue Supermärkte und rosafarbene Neubauten, deren Bewohner keine Ahnung haben, dass die Rutsche auf dem Spielplatz im Sommer immer die allerheißeste des Dorfes war, dass wir Baumhäuser gebaut haben und unter weggeworfenen Autoteppichen die Eidechsen wohnten, dass der Rodelhügel früher ein Haus mit Sonnenblumengarten war.

Das Verrückte ist, früher ist noch nicht mal besonders lange her.
Was ich erst lernen musste, war, Orte so zu nehmen, wie sie sind. Nicht nach Analogien zu suchen, nach etwas, das vermeintlich bekannt und ähnlich ist. Natürlich mache ich das immer noch und freue mich daran, wenn mich eine Sache an eine ganz andere erinnert. Aber jetzt spielerisch und nicht mehr suchend. Mit Orten ist es ja wie Menschen, man sollte sie, denke ich, in ihrem So-sein erst nehmen und ihnen ebenbürtig begegnen, ohne ständige Projektionen.

Was ich überdies festgestellt habe, ist, dass ich wohl nie wirklich außerhalb des deutschsprachigen Raumes leben kann. Eine Zeitlang bestimmt, ich möchte noch viel sehen von der Welt. Nur ist die deutsche Sprache und der Umgang mit ihr, privat und beruflich, für mich so identitätsstiftend und elementar, bedeutet mir so viel, dass ich das nicht aufgeben könne. Vielleicht ist Heimat also auch ein wenig „Muttersprache“, zumindest für mich.

Madeleine. Obstsalat. Muster.



Fine, Du bist in OSW groß geworden:
Wie war es hier aufzuwachsen? Und welche Erinnerungen sind besonders prägend gewesen?


Fine:
Ich hab gestern nach Fotos von Schöneweide gesucht und obwohl ich viele Bilder im Kopf habe, ist wohl wenig fotografiert worden. Es war wohl einfach nicht so ein Hintergrund für Fotoalben. Stattdessen zu sehen: auf Reisen, Garten der Großeltern etc.

Ich versuche deshalb gerade, meine Kopfbilder aufzuzeichnen und daraus ein Buch zu machen: Besonders prägend war natürlich die Wende, die in Schöneweide überall sichtbar waren: Die Arbeitslosen in den Kneipen, die zugemauerten Häuser, unsere abgerissener Balkon, die Trabischlange zur Brücke in den Westen, Demos gegen die Treuhand – es war schon krass.

 
Fine. Alte Wohnung in der Wilhelminenhofstraße, vorne raus


Deswegen betrachte ich die Aufwertung des Viertels, wie sie in den letzten Jahren stattgefunden hat, mit Wohlwollen: Oberschöneweide war ein traditionell gewachsenes Arbeiterviertel mit viel Armut, Schichtarbeit, Dreck und Arbeiterkneipen. Wenn ich bei Kindergartenkameraden zum Geburtstag eingeladen war, mussten wir ganz leise im Wohnzimmer, der 1,5-Zimmer-Wohnungen spielen, damit der Vater im Schlafzimmer, der gerade von der Schicht nach Hause gekommen war, nicht aufgeweckt wurde. Solche Arbeits- und Lebensbedingungen kannte ich aus dem Umfeld meiner Familie nicht.
Dann kam die Wende mit den ganzen Arbeitslosen, das war heftig. Und dann kamen die Nazis, das war schlimm.

Wenn ein Viertel sozial so abgewirtschaftet ist, versuchen die Stadtplaner ja immer eine U-Bahn-Anbindung zu legen, damit die Studenten kommen. In Schöneweide war man ganz schlau und hat gleich eine ganze Uni in die leerstehenden Fabriken geholt. Dazu Atelierstiftungen und Kreativwirtschaft.
Die ehemaligen vietnamesischstämmigen Gastarbeiter durften nach der Wende endlich langfristig da bleiben. Sie konnten Familien gründen und sind immens an der Aufwertung des Viertels beteiligt. Das Niveau der Grund- und Weiterführenden Schulen hat sich enorm gesteigert.
Ich kann den Teil der Bevölkerung verstehen, der Angst vor Gentrifizierung hat. Aus meiner Sicht jedoch, hat Schöneweide lebensqualitätstechnisch die beste Phase seit Jahrzehnten.


Bist Du noch manchmal hier, wenn ja, was hat sich alles verändert?

Fine:
Ich habe bisher alle Menschen, die mir wichtig waren, mal durch OSW geschleust, inklusive Madeleine. Vor Jahren habe ich mal im Kranhaus gespielt als Freunde dort ihren 30. Geburtstag feierten.
Madeleine und ich haben in Schmöckwitz auf dem Zeuthener See den Segelschein gemacht, dort wurde uns eine bestimmte Ärztin auf der Griechischen Allee empfohlen, bei der der Sehtest für Segler besonders günstig wäre. Da haben wir dann einen schönen Fahrradausflug hin gemacht.

Auch meine Hebamme hat ihre Praxis in Johannisthal. Eine tolle Type, was hätte ich ohne Anja gemacht. Auf dem Rückweg von den Untersuchungen habe ich mich dann manchmal mit einem Schöneweider Eis und Kindheitserinnerung (jetzt neu mit eigenem Kind im Bauch!) belohnt.
Christel, die erste Kindergartenerzieherin von meiner Tochter wohnt in Niederschöneweide in einer tollen Wohnung mit Balkon auf die Spree, dort sind wir manchmal zu Besuch und wenn wir dann wieder in unsere rumpelige Sonnenallee fahren, frage ich mich, was der Quatsch eigentlich soll.

 
Fine's Mama. Bauch-Fine. Berlin


Was wünscht ihr euch für Berlin/ bzw. Neukölln wo ihr aktuell wohnt und für Oberschöneweide?

Fine:
Als Kind habe ich immer von einer Fußgängerbrücke über die Spree geträumt, damit mein Schulweg kürzer ist. Jetzt gibt es den Kaisersteg wirklich. Einige Wünsche sind also schon in Erfüllung gegangen.
Ich habe das Gefühl, es wird härter. Nachdem es nach der Wende zwar ganz hart war, sich aber auch neue Möglichkeiten aufgetan haben, werden jetzt die letzten Freiflächen verteilt, Clubs geschlossen, Fördergelder für soziale Projekte gestrichen, landeseigene Gelände verkauft, Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt.
Ich wünsche mir mehr Investitionen in sozialen Wohnungsbau. Ich wünsche mir mehr Kindergärten und dass die Erzieher*innen besser bezahlt werden. Überhaupt alle, die im Sozialwesen arbeiten. Das sind aber eher globale Wünsche.

Für Schöneweide wünsche ich mir, dass die jungen Leute, die hier mit frischen Ideen und Konzepten für Cafés, Ladengeschäfte, Kreativ-Büros etc. kommen, sich mit den Viertelbewohnern austauschen und alle sich ohne Vorurteile aneinander gewöhnen. Die neuen Zeiten sind längst angebrochen und ich freue mich über die Nutzung der schönen Gebäude. Das ist die neue Chance und ich hoffe auf Nachbarschaftlichkeit und Miteinander.

Matrosenhunde. "Ich bin nie weg, nur woanders."

Ich glaube nicht, dass sich der Wandel aufhalten lässt und deshalb wäre ich gerne dabei und wünsche mir, dass auch andere dabei sind: Geht wählen, organisiert euch, lernt eure Nachbarn kennen, redet miteinander, helft einander, räumt den Kiez auf, veranstaltet ein Straßenfest, trennt Müll, setzt Eure Mieterrechte durch – der Mieterschutzbund hilft.
Und weil das hier ein Wunschkonzert ist, wünsche ich mir noch eine Straßenbahn für Neukölln (die fehlt mir hier im Westen am meisten), für Oberschönerweide ein Flussbad an der Nalepastraße und natürlich, dass die Spree Badequalität hat!

Madeleine:
Ich kann Fines Ausführungen eigentlich kaum etwas hinzufügen. Ich wünsche mir, nebst Radbahn, Hinterhofgärten und wegweisenden Projekten vor allem: Organisches Wachstum. Nachhaltigen Städtebau und gesellschaftliche Teilhabe an urbanen Prozessen, nicht nur kurzsichtigen „Ausverkauf“ der Stadt an die Meistbietenden. Weniger Parallelgesellschaft und mehr Miteinander: Hinsehen, zuhören, aufeinander achten. Denn eine Stadt besteht nicht aus Beton und Fahrbahnmarkierungen, sondern aus den Menschen, die sie definieren.




the end. fast. Denn

Wir haben uns gleich noch mal getroffen und haben mit Fine eine Fahrradtour durch Oberschöneweide gemacht. Ihr das heutige OSW und das Wasser gezeigt, das man früher nur erahnen aber kaum sehen konnte und schon gar nicht am Ufer entlang spazieren konnte. Wir haben versucht uns vorzustellen, wie  es früher hier war und sie hat uns gezeigt wie weit ihre Welt ging (sie fing in der Rathenaustraße über der Metzgerei an und ging bis zur heutigen Sparkasse  an der Firlstraße. Am Ende ihrer Welt in ihrer Kindheit stand da kein Haus. )

Sie meint es rieche besser als früher. Wir glauben ihr und sehen Schöneweide nun anders und von nun an auch immer ein wenig aus ihren Augen.


Heute. Fine. Oberschöneweide. Peter-Behrens-Bau.


Matrosenhunde
About

Fotos und Bilder: Matrosenhunde
zusammengetragen von Leo

Donnerstag, 8. Juni 2017

KES - Ein Klub für die Nachbarschaft

KES: das wird wie "kess" ausgesprochen und ist die Abkürzung für Kinder – Eltern – Senioren.  
KES, das steht für den KIEZKLUB in Oberschöneweide. 

Zugegeben, bislang – und das obwohl ich schon ein paar Jahre in Oberschöneweide wohne, hatte ich immer nur eine vage Ahnung davon, was sich hinter dem KES verbirgt. Nachdem ich nun da war, die Leiterin des KES, Frau Anke Westphal interviewt habe und mir verschiedene Kurse angeschaut habe, bin ich überwältigt, davon dass es in unserem Kiez so etwas Tolles gibt und aber auch, dass ich das ich dieses Angebot bislang viel zu wenig in Anspruch genommen habe. 

Euch ging es bislang ähnlich wie mir? Das soll sich ändern: Wir stellen euch diese Woche den KIEZKLUB von Oberschöneweide vor. 



- Sommerfest 2017 -

Der KIEZKLUB ist zunächst einmal eine soziale Einrichtung vom Bezirk Treptow-Köpenick.  Er soll u.a. älteren Menschen dabei helfen Anschluss zu finden und somit vor der sozialen Isolation bewahren und dient dazu, den Bürgern Hilfe zur Selbsthilfe zu geben. Das ist die Theorie. 

In der Praxis ist der KIEZKLUB primär einfach ein Raum für und in der Nachbarschaft. Das kann ein Raum für eine kleine Begegnung oder einfach ein Raum sein, in den man gehen kann und einen Kaffee für kleines Geld bekommt. Den Kaffee gibt es eigentlich immer. Dafür sorgen Anke Westphal und ihr Team aus wunderbaren Freiwilligen.  


Im KES sind alle willkommen. Es ist ein offenes Haus und man kann einfach dem Wunsch nach besagtem Kaffee nachgehen oder das Angebot des Büchertauschregals nutzen. Aber man kann auch noch mehr. Kochen zum Beispiel. Die internationale Kochstube findet einmal im Monat statt. Das nächste Mal am 14.06 (12 Uhr), dann werden bspw. gemeinsam Süß-Saure Eier gekocht. Im KES finden au.a. auch Vortragsreihen mit Frühstück, Kinovorführungen, Lieder- und/oder Disco-Abende statt und meist ist der Eintritt frei oder minimal.

Der Name KES verrät es schon. Senioren und Kinder weisen eine natürliche Verbindung auf: Beide Grupen haben oft mehr Zeit als die oft eingespannten Eltern; die einen wissen viel, die anderen haben einen großen Wissensdurst. Aber was wenn die Großeltern viel zu weit weg wohnen? Dann ab ins KES. Regelmäßig findet die Gruppe "Zeit füreinander - Kinder und Senioren" statt (das nächste Mal am 13.06 um 16:45 Uhr).  

Toll finde ich auch, dass hier Räume geschaffen werden, in denen man sich einfach nur mal treffen, sich austauschen  und etwas quatschen kann. Wie zum Beispiel in der Runde der (Allein)erziehenden, also auch allen, die sich (mal) alleine fühlen. Der nächste Termin ist übrigens am 27.06 16:30 Uhr, die Kinder werden in dieser Zeit bestens im "Kinderzimmer" vergnügt.




Neben den monatlichen speziellen Veranstaltungen finden jede Woche regelmäßig in den Räumen des KES  Kurse statt. Da ist fast alles machbar und das zu fast allen Zeiten (um 09:00 Uhr startet meist der erste und um 20 Uhr findet oft der letzte statt). Es gibt Sportkurse, wie Zumba, Irish Dance oder Yoga oder Kurse im kreativen Gestalten wie Töpfern und Malen.  Man kann Englisch lernen – oder mit seinen Kindern um die Wette purzeln. Eine Massage gibt es zum Beispiel jeden 1. und 2. Dienstag im Monat. Der Lieblingskurs von Anke ist übrigens das Fitnessprogramm jeden Montag Abend von Ines Schilling, da macht sie oft selber mit. 

Jeder ist willkommen. Denn obwohl der KIEZKLUB, das Wort Klub beinhaltet, müsst ihr keine Mitgliedschaft eingehen. Alle Kurse kosten zwischen 2 und 10 Euro (meistens um die 5 Euro) und ihr bezahlt nur, wenn ihr auch da wart. Wenn ihr Interesse an einem bestimmt Kurs habt, geht einfach zu dem in der Übersicht genannten Termin und probiert es aus.  
 
Bislang gibt es über 30 Kurse. Hier geht es zur Übersicht. Die Wahrscheinlichkeit ist also groß, dass da das Richtige für Euch dabei ist. Und falls nicht, werdet selbst aktiv und schafft einen eignen Raum – indem ihr einen Kurs anbietet. Kontaktiert Anke hierfür einfach. Übrigens ich bin sofort dabei, wenn es so oder so ähnlich heißt: Strickliesl, was mache ich Schönes mit der Strickwurst?" Gibt es jemanden, der einen Kurs dazu anbietet, lasst es mich wissen. 


Anke schafft mit ihrem KIEZKLUB ein tolles Angebot für die Nachbarschaft. Wir fragen sie, was sie sich für das KES wünschen würde. "Dass uns noch mehr Leute kennenlernen und die Veranstaltungen und Kurse besuchen. Mehr Leute um die 30 wären schön, aber vor allem auch die 55-60 Jährigen, die sollen über uns informiert werden." ALSO: Ihr jungen megaschönen Leser, vielleicht kennt ihr jemanden in eurer Nachbarschaft auf den die Beschreibung passt. Dann tragt es weiter. Denn:

"Teilen ist heilen" 
so ungelenk übersetze ich jetzt einfach mal den bekannten "sharing is caring" Slogan. Ob es nun ein Rezept ist, sein Wissen oder seine Zeit: Das KES verbindet.  



Ihr habt keine Ahnung wo das KES ist? Es liegt etwas versteckt in dem Schulhof der Grundschule an der Wuhlheide. Ahhhh! Habt ihr denn gefunden, dann ist es leicht. Es ist das kleine wunderschöne Backsteingebäude rechts. Übrigens, die Räume des KES kann man für private Feiern auch mieten.


Plönzeile 7
Haus B 
12459 Berlin
telefon (030) 90297-5415

Leiterin: Anke Westphal  
email 

Beim Klick auf die Veranstaltungen kommt ihr auf die Seite vom KES und könnt euch einen Überblick verschaffen:

Besondere Veranstalungen im Juni  
 Ständige Veranstaltungen 


Es folgen meine persönlichen und rein subjektiven Kurs-Empfehlungen (herrlich um den Abend nach der Arbeit zu gestalten):

TÖPFERN - Mittwochs um 19 Uhr
Leitung: Beatrice Wieczorek


ZUMBA - Donnerstags um 19 Uhr
ohne Anmeldung: Einfach hingehen und mitbewegen
5 Euro pro Kurs, an dem ihr mitmacht
Leitung Zumba: Khaled Safsouf



Fotos und Text: Leo


Donnerstag, 1. Juni 2017

Ein Kleid und seine Meisterin – das Portrait einer Dame

# Das Kleid

Ein Kleid ist ein Versprechen, das sich selbst erfüllt. Diese Aussage erklärt in etwa das, was genau die Sache zwischen mir und den Kleidern ist.

Kleider machen mich glücklich. Einmal angezogen, sind sie mal eine Kampfansage, mal die weite Welt und mal fühlt es sich an wie zu Hause. Im Übrigen sind sie einfach praktisch, denn manchmal ist man mit einem Kleid einfach verdammt schnell ziemlich gut angezogen.

Ich finde meine Kleider überall. Oft sind es gebrauchte Kleider. Denn diese haben meist nicht nur einen unvergänglichen Charme, den man in der aktuellen Mode nicht leicht oder nur zu schwer erschwinglichen Preisen finden kann, sondern sie haben meist auch eine sehr gute Qualität, im Stoff wie auch im Schnitt.

Das Kleid um das es in diesem Beitrag geht, habe ich in der Schweiz in einer "Brockenstube" (also Secondhand) gekauft. Es hat ein etwas altmodisches Muster, kein Label und seltene Knöpfe, wie mir die Meisterin für Mode noch erklären wird. Ich habe es in der Schwangerschaft gekauft, denn es hatte viel Platz für den Bauch. Den brauche ich jetzt nicht mehr.

Was macht man mit guten Stücken, die nicht (mehr) passen? Und was ist mit dem Kleid von Oma aus den 50ern, das einen so unglaublich tollen Stoff hat, aber etwas altbacken wirkt?

Man lässt es ändern (upcyceln). Das mag auch mal etwas mehr kosten als ein neues Kleid der bekannten Modeketten, aber es bringt auch mehr Freude und Haltbarkeit mit sich. So freut sich vielleicht eines der Enkelkinder eines Tages wieder. Versprochen. 

 





#Die Meisterin für Mode. 

Die Meisterin für Mode heißt Yvonne Rothschild. Wir telefonieren zum ersten Mal miteinander im Februar um einen Termin für das Projekt zu vereinbaren und sie haut mich gleich vom ersten Moment an um – mit ihrer Energie, Wärme und Lebhaftigkeit. Wir reden als hätten wir nie etwas anderes getan. Nebenbei erfahre ich, dass sie 70 Jahre alt ist. Ihre Stimme aber ist die einer jungen Frau. Der Rest von ihr auch.

Wenn sie redet, lauert immer irgendwo ein Wortwitz. Das fällt einem manchmal erst ein paar Wimpernschläge später auf. Denn ihre Sätze kommen schnell. So schnell wie die Nadel, mit der sie näht. Und an der sie hängt, wie sie sagt – wieder mit einem Schmunzeln auf den Lippen. An ihrem SmartPhone übrigens auch. Eine Erfindung, die sie genial findet. So sind ihre Lieben nie weit weg, erklärt sie mir.

Ihr Atelier befindet sich in den XTRO-Ateliers, also über dem Burgerladen im zweiten Stock. Sie ist eine Handwerkerin, keine Künstlerin. Darauf besteht sie. 1968 hat sie in an der Meisterschule für Mode in München die Meisterprüfung als Damenschneiderin absolviert. Da fährt sie ab und zu noch hin und gibt dort immer noch Kurse oder nimmt Auftragsarbeiten an. Sie lächelt breit, wenn sie erzählt, dass sie in Nürnberg arbeitet um in Berlin leben zu können.

Sie lebt noch nicht lange hier. Es bot sich eine Gelegenheit und dann war sie hier. Die Gegensätze von Berlin, das mag sie. Sie lebt in Lankwitz (die Ruhe), hat ihr Atelier in Oberschöneweide (die Aufbruchstimmung) und arbeitet aus Freude auch noch in Kreuzberg (die Cafés) für den Fundus für Verleih von Kleidern. Ihr Grundeinkommen, so bezeichnet sie ihre Rente, ermöglicht ihr zu tun auf was sie Lust hat.

Kleidungsstücke umarbeiten, das macht sie gerne. Das Wort Upcycling verwendet sie hingegen nicht so gerne. Das Kleid, das ich mitbringe und seine Knöpfe machen sie neugierig. Schnell weiß sie wie man das Stück nicht nur enger sondern auch moderner macht: der Ausschnitt muss tiefer werden. Von der Breite, am Brustumfang muss was weg, die Ärmel müssen enger gemacht werden (dafür wird sie zunächst den ganzen Ärmel abtrennen). Wenn das Kleid um die Taille enger werden soll, muss auch der Rest vom Kleid angepasst werden (das machen die günstigen Änderungsschneider nicht). 

So wird ganz am Schluss die Länge gekürzt, denn dann sieht man erst wie alles fällt und kann den Saum anständig umnähen. Sie erklärt mir, an der Länge sieht man ob ein Profi am Werk war: "die Längen sind nicht gerade, wenn kein Profi dran war".

Das Kleid gibt Rätsel auf, da es kein Label hat. Wurde es vielleicht von einer Industrieschneiderin gefertigt (eine Damenschneiderin hätte anders gearbeitet, glaubt sie). Die Knöpfe machen sie stutzig. Die Machart ist ihr noch nicht untergekommen.
Dieses neugierig bleiben, das ist bestimmt das Geheimnis ihres Jungbrunnens. Sie hinterfragt Dinge und lernt immer noch etwas und gerne dazu, wie sie sagt. Dabei arbeitet sie in diesem Metier, seitdem sie 14 ist. Hat u.a. als Kostümschneiderin bei den Städt. Bühnen Nürnberg gearbeitet und später viele Kurse gegeben, auch an der VHS Nürnberg.


Wissen vermitteln, das ist ihr wichtig. Noch lieber als Änderungsarbeiten sind ihr daher die Kurse, die sie gibt. Da kann man alles erlernen, z.B. die Nähmaschine kennenlernen, das Nähen erlernen oder lernen, die eigene Kleidung zu kreieren. Neben Näh-Kursen, gerne begrenzt auf zwei Teilnehmer (damit Zeit für die individuellen Fragen und Wünsche bleibt), bietet sie auch Kinderworkshops und Einzelunterricht an.

Wenn Ihr ein bestimmtes Projekt vor Augen habt, euch aber das Know-How fehlt, berät euch die Meisterin für Mode und ihr setzt das Projekt gemeinsam um. Am Ende wisst ihr viel über das Nähen und sicherlich auch ein wenig mehr darüber wie man glücklich durchs Leben geht, denn ihre Energie ist ansteckend.

Als ob das alles nicht genug wäre, geht sie nebenher auch noch viele kleine persönliche Projekte an. Hüte macht sie gerne selber, kleine Stickereien auch. Gerne für Kinder, wie ihre Katzentaschen. 

Yvonne ist ein wandelndes Tausendsassa und ein wahres Glück für Oberschöneweide.


Yvonne Rothschild
Meisterin für Mode
Wilhelminenhofstraße 53
http://www.yvonne-rothschild.de/

m: 0176 544 135 35 
yvrot@web.de
facebook








 

 


  


 



# Das Ergebnis 

ist ein traumhaftes, maßgeschneidertes Kleid, das sich unglaublich gut anfühlt, denn wer hat schon eine der genormten Figuren, für die die Kleider von der Stange sind.

Verzaubert von dieser wunderbaren Frau wünschen wir uns etwas von ihrer Energie. Jetzt schon, nicht erst wenn wir 70 sind. 







Text und Fotos: Leo
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