„Schöneweide
ist für mich wie dauerhaft in einer Künstlerresidenz zu arbeiten“,
sagt Kirsten Heuschen, die Künstlerin mit dem besonderen Blau.
Als ich in ihrem Studio in der „Atelieretage G59“ direkt am Spreeufer stehe, glaube ich ihr sofort: Dritter Stock, Blick auf den Kaisersteg, Abendsonne und vor allem – Ruhe. „Hier ist wenig was mich ablenkt, das ist für mich als Freiberuflerin sehr wichtig.“ Noch eine, die die Normalität unseres geliebten Dorfes zu schätzen weiß. Ruhe, Konzentration, Fokus. Daher ist sie auch vor zwei Jahren mit ihrem Atelier hinterher gezogen und lebt und arbeitet jetzt ganz in Oberschöneweide.
Kirsten
hat Fotografie in Bielefeld studiert und seit dem ein bisschen auf
der ganzen Welt gearbeitet und ausgestellt. Dieses Jahr werden ihre
Werke unter anderem in Berlin und Sao Paulo zu sehen sein. Bei Kunst
am Spreeknie war sie bisher übrigens auch jedes Mal dabei.
Auf ihre spezielle Liebe, die Cyanotypie, kam sie mehr zufällig durch
einen Kurs bei einem anderen Künstler. Cyanotypie ist kurz gefasst
auch eine Art Fotos zu machen. Nur arbeitet man mit einer speziellen
chemischen Lösung, die diese ganz typischen cyanblauen Farbtöne –
auch Berliner Blau genannt – hervor bringt. Das Verfahren ist im
Gegensatz zur Fotoentwicklung ganz simpel (und ungiftig): Man
bepinselt den Bildträger (Papier, Stoff, Keramik, Holz...) mit der
Chemie, belichtet bei Tageslicht oder mit UV-Lampe, wäscht aus –
fertig. Da man ohne Negativ arbeitet, ist jedes Bild ein Unikat.
Beim
Besuch in Kirstens Atelier darf ich einmal meine Hand belichten. Ich
lege sie auf ein grünlich-gräulich angepinseltes Blatt Papier, dann fünf Minuten unter ein Solarium, tauche das Papier in ein Wasserbecken
und halte meine Geisterhand, weiß auf strahlendem Blau in der Hand.
Magisch. Ich habe sofort Lust, noch viel mehr auszuprobieren, andere
Formen auf noch anderen Untergründen zu belichten.
Als
ich sie frage, ob es mit der Cyanotypie eigentlich nie langweilig
werde, schaut sie mich völlig verständnislos an: Je mehr sie
arbeite und ausprobiere, desto mehr zeigten sich die Möglichkeiten.
Nein, sie komme eher nicht hinterher, ihre ganzen Ideen umzusetzen.
Inzwischen ist sie von den blauen Fotogrammen (Fotos machen ohne
Negativ, d.h. jedes Bild ist ein Unikat) zu plakatwandgroßen Dekollagen
übergangen, auf denen nur noch Schnipsel und Fetzen in blau
erkennbar sind und Material und Stofflichkeit ihr Eigenleben
entfalten, ein Wellenmeer aus Buckeln und Dellen, rau, glatt, eben
oder karstig, Kirstens Bilderwände im Atelier leben und atmen.
Wenn
ihr euch auch im Berliner Blau verlieren wollt, könnt ihr einen Kurs
bei Kirsten besuchen. In kleinen Gruppen (bis 5 Leute) lernt ihr in 6
Stunden die Chemie ansetzen, beschichten, Papier belichten und
entwickeln.
Kirsten
hat schon mit Laien und Profis jeder Art gearbeitet; mit Schülern,
Studierenden Kindergartenkindern oder anderen Künstlern. Die
verschieden Menschen und Herangehensweisen der Teilnehmenden
inspirieren sie auch für Ihre eigene Arbeit.
Mehr
über Kirstens Kunst und ihre Kurse findet ihr auf ihrer Facebook-
und Instragramseite und ihrer Website: www.kirsten-heuschen.de
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geschrieben von Meri, Fotos von Meri, Kirsten Heuschen und anderen: Michael Wickham (1. Bild), Pablo Rojas (8.-11.Bild), -
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